Gentechnik in der Medizin

Gentechnik in der Medizin
Gentechnik in der Medizin
 
Auf dem medizinischen Sektor gilt die Gentechnik mittlerweile als unverzichtbares »Werkzeug« sowohl bei der Produktion von neuen Medikamenten als auch bei der einfachen und schnellen Diagnose von Erb- und Infektionskrankheiten.
 
 Herstellung gentechnischer Produkte
 
Eine ganze Reihe von pharmazeutisch wirksamen Proteinen wird heute mithilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen in großen Anlagen produziert. Mithilfe der Gentechnik kann man heute menschliches Insulin durch heterologe Expression in Mikroorganismen herstellen. Im ersten Schritt dieses aufwendigen Prozesses wird Boten-RNA (mRNA) aus den Zellen isoliert, die normalerweise Insulin produzieren. Die gesamte mRNA wird über reverse Transkription (umgekehrte Umsetzung) in eine doppelsträngige DNA-Kopie (copyDNA, cDNA) umgeschrieben, die für die folgenden Arbeitsschritte notwendig ist. Anschließend wird die cDNA in Plasmide eingebaut (rekombiniert) und die rekombinierte DNA in Mikroorganismen (E.-coli-Bakterien) transformiert. Es folgen mehrere Trennungsschritte, um den Mikroorganismus zu isolieren, der die cDNA für das menschliche Insulin enthält. Dieser Klon wird in bestimmte Nährmedien gebracht und beginnt mit der Produktion des rekombinanten Humaninsulins. Das Insulin wird über mehrere Arbeitsschritte aus den Mikroorganismen isoliert und aufgereinigt, bis es schließlich verwendet werden kann.
 
 Gendiagnose und -therapie
 
Ein weiteres wichtiges Anwendungsgebiet ist die Gendiagnose. Die Ursachen vieler Erbkrankheiten sind heute bis ins Detail verstanden, und man kann mithilfe von DNA-Sonden (»DNA-Sucher«) nach fehlenden oder beschädigten Genen suchen, die für die Ausbildung der Krankheit verantwortlich sind. Als DNA-Sonden bezeichnet man kleine Stückchen DNA, die komplementär mit dem gesuchten Gen oder Teilen davon sind. Um die DNA-Sonden nach ihrer Bindung wieder zu finden, sind diese radioaktiv oder fluoreszierend markiert. Für die Untersuchungen wird eine winzige Menge DNA aus Blutproben oder Fruchtwasser der Testperson isoliert und mithilfe von Restriktionsenzymen in kleine Fragmente zerschnitten. Diese werden nach ihrer Größe auf einem elektrisch neutralen Gel (meist Agarose-Gel) durch Gelelektrophorese, ein biochemisches Trennverfahren, getrennt. Anschließend wird die doppelsträngige DNA durch chemische Behandlung in ihre Einzelstränge aufgeteilt und diese auf einen DNA-bindenden Filter (z. B. aus Nitrozellulose) übertragen. Dieses Verfahren nennt man Southern-Blot. Nun kann mithilfe von DNA-Sonden, die die DNA-Sequenz des gesuchten Gens erkennen, nach einem Defekt gesucht werden.
 
Eine zweite Technik, die in der Gendiagnose häufig angewendet wird, ist die Polymerase-Kettenreaktion (PCR, englisch polymerase chain reaction). Mithilfe dieser Technik ist es möglich, bestimmte Gene aus dem Erbgut zu vervielfältigen. Dazu benötigt man nur zwei kurze DNA-Stücke vom Anfang und vom Ende des gesuchten Gens, die Primer, und ein Enzym, die DNA-Polymerase, das in der Lage ist DNA zu vervielfältigen. Anhand der Abweichungen des bei der Vervielfältigung erzielten zum berechneten PCR-Produkt kann eine Insertion (Einfügung von zusätzlicher DNA im Gen) oder eine Deletion (Verkürzung) nachgewiesen werden.
 
Somatische Gentherapien beschränken sich derzeit noch auf Zellen, die außerhalb des menschlichen Körpers kultiviert und transformiert werden können, wie z. B. die Zellen des menschlichen Blutes. Dabei werden im ersten Schritt dem Patienten Zellen entnommen, die das defekte Gen tragen. Diese werden außerhalb des Körpers kultiviert und mithilfe eines speziellen Vektors (Nukleinsäuremolekül, das als Träger dient) mit einer intakten Kopie des defekten Gens transformiert. Die so erhaltenen »geheilten« Zellen werden dem Patienten per Infusion verabreicht. Im Körper erzeugen die transformierten Zellen dann das dem Patienten fehlende Protein.
 
In Zukunft soll durch somatische Gentherapie ein intaktes Gen direkt in genetisch defekte Zellen geschleust werden. Dazu müsste z. B. im Falle von Diabetes ein intaktes Insulin-Gen direkt in die langerhansschen Zellen der Bauchspeicheldrüse des Patienten eingebracht werden und dort dauerhaft für die Expression des lebenswichtigen Hormons sorgen. Leider stehen bisher nicht die geeigneten Mittel zur Verfügung, um einen so gerichteten Gentransfer zu bewerkstelligen.
 
Die moderne Medizin ist ohne die Anwendung gentechnischer Methoden praktisch nicht mehr denkbar. Die Produktion vieler pharmazeutisch wirksamer Proteine ermöglicht es, gezielt wirkende Medikamente herzustellen. Umstritten ist die Anwendung der Gentechnik in der medizinischen Diagnose, da viele Erbkrankheiten mithilfe dieser Methoden zwar diagnostiziert, nicht aber geheilt werden können.

Universal-Lexikon. 2012.

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